In Formation
Sexauer – In Formation
Zeitgenössische Kunst und kontemporäres Design beschäftigen sich mit ikonischen Elementen, mit besonderen Arten des Sehens und Schaffens einer anderen Zeit. Die ästhetische Kultur unserer Gegenwart existiert (auch) als Reminiszenz.
Ettore Sottsass, Gründungsmitglied des Designkollektivs „Memphis“ (1981), hat ein visuelles Vokabular in die Welt gesetzt, von dem bis in die Gegenwart Künstler und Designer bewusst und unbewusst geprägt werden. Seine Designs sind Bestandteil eines ästhetischen Kanons, in ihnen spürt man die Essenz eines ganzen Jahrzehnts – der 1980er Jahre.
Die Formensprache von Ettore Sottsass Arbeiten ist selbst ein Konglomerat visueller Hinterlassenschaften. Bilder der französischen modernen Malerei in den Pariser Museen, die er während einer Reise 1936 betrachtet, prägen sein Verständnis von Farbe und Komposition. Matisse, Braque, Picasso werden „hinsichtlich des Problems der Farbe“ zu seinen Vorbildern. 1937 begegnet der Student Sottsass dem Maler Luigi Spazzapan, Futurist, später ein wichtiger Vertreter der Abstrakten Malerei. Er wird sein Freund und Lehrer. Sottsass Interieur-Entwürfe während seiner Studienjahre sind Ausdruck einer inneren Bewegtheit durch die Kunst und weisen eine formale Nähe zum Kubismus und Fauvismus auf. Er schafft Struktur durch Farbe. Mit den Materialien des Künstlers – Tusche, Wachsstift, Aquarell – entwirft er seine Innenräume. Nach dem zweiten Weltkrieg beschäftigt sich Sottsass mit Wassily Kandinsky, Hans Arp, Max Ernst oder Alexander Calder. Er organisiert die erste Ausstellung abstrakter Kunst in Mailand nach dem Krieg.
Die „kulturelle Präsenz der Malerei“ lässt sich an der Gestaltung und seinem künstlerischen Schaffen der folgenden Jahre nachvollziehen. Sottsass Möbel – „nützliche Skulpturen“ (Sergio Cammilli) – entstehen aus einer Synthese ästhetischer Erfahrungen und geistiger Strömungen – insbesondere widmet er sich der indischen Philosophie und Bauweise. Memphis schließlich ist als Experiment zur Gestaltung einer neuen Umwelt gedacht. Sottsass: „Wir beziehen unsere produktsprachlichen Anregungen nicht so sehr von der institutionalisierten Kultur, nicht von der Technologie, (...) nicht von irgendeiner institutionalisierten Gewissheit, sondern aus Bereichen, wo alles wieder neu beginnt, unsicher ist, widersprüchlich, keine feste Meinung hat. “
Ab der ersten Ausstellung in Mailand am 18. September 1981 dominiert Memphis das Feld des Designs und prägt den Stil der Postmoderne. Memphis-Entwürfe sind ein eklektischer Mix aus Plastik, Zelluloid, bedrucktem Glas, historischen Formen, Kitsch- und Comicmotiven, knalligen Farben, Mustern und Materialien.
Seine Suche nach unabhängiger Produktion und seine Art des Entwerfens von Objekten bis hin zur Schöpfung gänzlich zweckfreier Dinge wie seinen Keramiken rücken Ettore Sottsass in eine Geistesgemeinschaft mit den gezeigten Künstlern. Durch die Gegenüberstellung der Memphis-Designs von Ettore Sottsass mit Arbeiten zeitgenössischer Künstler versucht die Ausstellung das Prinzip der ästhetischen Weiterreichung exemplarisch aufzuzeigen.
Literatur und Zitat: Höger, Hans Leo: Ettore Sottsass (*1917) : Kontinuität und Methode im Schaffen eines italienischen Designers. Bonn, 1991.