Mensch und Maschine
MENSCH UND MASCHINE, 2014, curated by Lutz Driever and André Odier, courtesy Skulpturen Triennale Bingen © David von Becker
Skulpturen Triennale Bingen, 2014
Kuratiert: von Lutz Driever und André Odier
Künstler: Magdalena Abkanowicz, Matthias Deumlich, Biegit Dieker, Anna Fassauer, Zbigniew Franczkiewicz, Heiner Franzen, Nuria Fuster, Amélie Esterházy (Grözinger), Philip Grözinger, Uwe Henneken, Rainer Kriester, Helge Leiberg, Via Lewandowsky, Markus Lüpertz, David Moises, Raphael Otto, Irene Pätzung & Valentin Herweck, Social Knit Work Berlin, Gunter Stilling, Patricia Wallner, Iskender Yediler
Amélie Esterházy stellt in dem Kunstwerk „Engrailed Consecution“ (Eingekerbte Sequenzen) den Entstehungsprozess einer Skulptur in den Vordergrund und macht uns sichtbar, was Arbeiten und Be-Arbeiten bedeutet. Die Künstlerin selbst hat den Speckstein mit Maschinen wie der Flex und dem Bohrer bearbeitet. In Bingen haben alle Besucher mit Kupferstichgriffeln die Möglichkeit, ihre individuelle Handschrift auf dem Werk zu hinterlassen. Sobald die Besucher den Stein behauen, wird ihnen die Kraft bewusst, die aufgebracht werden muss, um einen Stein zu formen und viel mehr noch, wie viel Kraft und Zeit es kostet, aus einem Felsbrocken eine Skulptur entstehen zu lassen. Es sind allgemein im Schaffen Esterházys Widersprüche und Gegensätze, die die Künstlerin reizen und eine Rolle in ihren Kunstwerken spielen. Während viele Werke der Künstlerin erscheinen, als würden sie sich im Raum ausbreiten, handelt es sich in Bingen darum, dass die Arbeit immer weiter reduziert wird. Im klassischen Sinne der Skulptur, nämlich des „sculpere“, des „Schnitzen“ oder „Meisseln“, bezieht sie sich auf das Kunstwerk, das durch sein festes Material im subtraktiven Verfahren hergestellt wird, wie eine Stein- oder eine Holzskulptur. Im Gegensatz dazu steht die Plastik, die wie beispielsweise eine Tonarbeit durch das additive Verfahren, also das Hinzufügen von Material entsteht.
Esterházy, für die das Prozesshafte Teil ihrer Arbeit ist und ein Aspekt, den sie nicht verstecken möchte, erklärt in der Arbeit für Bingen den „Prozess“ zum zentralen Aspekt. Ihr ist es wichtig, dass der Besucher nachvollziehen kann, wie viel Zeit es gebraucht hat, die Skulptur in die von der Künstlerin beabsichtigte Form zu bringen. In einer Zeit von Computern, 3D-Druckern und automatisierter Produktion gibt es kaum noch eine Vorstellung davon, was „Bearbeiten“ bedeutet, sei es im Künstlerischen wie im Allgemeinen. So wie die komplexen und optimierten industriellen Produktionsprozesse dem Konsumenten meist nicht bekannt und bewusst sind, so ist es uns Besuchern des Skulpturenparks oft gar nicht bewusst, welchen Aufwand es nicht nur intellektuell, sondern auch technisch gebraucht hat, bis ein Kunstwerk fertiggestellt war. Vielleicht liegt es an der Ausbildung der Künstlerin, die Philosophie und Kulturwissenschaften sowie Modedesign studiert hat, dass es ihr in ihren Kunstwerken oft nicht primär um das Endprodukt, sondern um die Sichtbarmachung eines Schaffensprozesses oder auch eines Abweichens von der Norm geht. In Galerieaustellungen bei Wendt & Friedmann in Berlin hat sie immer wieder die Natur als Referenz genommen, deren Erscheinungen meist einer Norm unter liegen, die aber ebenso in Abweichungen von der Norm in Erscheinung treten. Die Urform, die der Binger Skulptur zugrunde liegt, entspricht dem bevorzugten Formenschatz der Künstlerin, in deren Œuvre vegetabile sowie kristalline Strukturen immer wieder eingesetzt werden. Von dieser klaren, kantigen Oberfläche wird sich das Werk im Verlauf des Sommers immer weiter entfernen.
Britta von Camphausen